Nun ist er um, der längste Tag, die kürzeste Nacht. Mit dem Rad fahre ich von der Sitzung nach Hause. Herrlich, um halb zehn abends noch im fast Taghellen unterwegs sein zu können. Es duftet herrlich auf den Feldern. Wer hier im hohen Norden lebt und um die Länge und Dunkelheit der Winter weiß, vermag den Sommer noch mal ganz besonders zu schätzen. Eine Liedzeile habe ich plötzlich im Ohr – eines der für mich schönsten Lieder im Gesangbuch: „Geh’ aus, mein Herz, und suche Freud in dieser schönen Sommerzeit an deines Gottes Gaben.“
Ein besonderer Choral, der in seinen 15 Strophen gar nicht so oft Gott erwähnt, und doch ist Gott in allem präsent: er ist es, der diese Welt und alles, was lebt, so einzigartig geschaffen hat. Ich finde es bemerkenswert, wie Paul Gerhardt in diesem Lied die Schöpfung beschreibt und viele Strophen bei den Tieren und Pflanzen verweilt, ohne den Menschen in den Blick zu nehmen. Wie wusste Albert Schweitzer so treffend demütig zu formulieren: Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will – nix der Mensch Krone der Schöpfung, sondern der Mensch als ein Baustein neben vielen anderen, eingefügt in das Wunderwerk des Lebens und leider oft genug der größte Störfaktor der Schöpfung. Mit der 9. Strophe, die gar nicht so oft gesungen wird, kommt die große Überleitung zum Finale des Liedes: Wenn schon diese Welt so viele Wunder birgt und so herrlich ist mit der Vielfalt des Lebens- wie herrlich und umwerfend muss es erst im Himmel sein: „Ach, denk ich, bist du hier so schön, und lässt du’s uns so lieblich gehn auf dieser armen Erden: Was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen Himmelszelt und güldnen Schlosse werden, und güldnen Schlosse werden.“ Wir werden es bestimmt auch in diesem Jahr wieder so manches Mal singen, und noch häufiger werde ich es innerlich vor mir hersummen, unterwegs auf dem Rad oder beim Träumen im Gras oder in einem Gottesdienst. Einer leider nunmehr verstorbenen Dame meiner früheren Gemeinde war die 4. Strophe von „Geh’ aus mein Herz“ die liebste, besonders der wunderschöne Anfang: Die Glucke führt ihr Völklein aus. Gestern hat Martha auf dem Weg zur Schule ein Foto geschossen, da musste ich an diese Dame, Elisabeth mit Vornamen, und diesen Strophenanfang denken. Auf Höhe der Jugendherberge Niebüll war da eine Glucke mit Völklein zu sehen – Familie Schwan, stolz mit Nachwuchs. Was für wundervolle Gaben Gottes, die wir vorfinden können!
Bleibt gut behütet!