Erinnerungen werden wach: Schulchor der Diltheyschule in Wiesbaden. Ich war vielleicht in der sechsten oder siebenten Klasse. In der Lutherkirche stand das Weihnachtskonzert an. Herr Beltz dirigierte – mein Musiklehrer, den ich sehr mochte. Wenn man halbwegs singen konnte und obendrein das Musikheft noch schön gestaltete und paar Bilder dazu klebte, bekam man in der Regel schon eine gute bis sehr gute Note. Und als Mit-Chorsänger hatte man sowieso bei ihm ein Stein im Brett. Manchmal ging er, während wir sangen, durch die Bankreihen, beugte sich vor jemanden hin, tippte ihn an und sagte nur ein Wort: Beurlaubt. Dann war es aus mit dem Mitwirken im Schulchor … – Eines der Lieder unseres Weihnachtskonzertes – in lateinischer Sprache, wie es passend zu sein schien für ein altsprachliches Gymnasium – lautete: Transeamus usque Bethlehem.
Ich sang das Lied sehr gerne – es hatte Gott sei Dank nicht so viel lateinischen Text zum Lernen, wiederholte sich sehr, und die Melodie gefiel mir gut. Und immer wieder transeamus et videamus: Lasst uns gehen und lasst uns sehen. Das war laut der Weihnachtsgeschichte die Reaktion der Hirten auf die Botschaft der Engel: dass der Heiland geboren ist und als Kind in einer Krippe liegt. In dem Lied wird genau das sehr staunend beschrieben. – Transeamus et videamus. Das ist ein großes Wunder der Weihnachtsgeschichte. Die Hirten hätten ja auch müde abwinken können: Engel gibt es doch gar nicht, das war eine optische Täuschung eben! Oder der Heiland als Kind in der Krippe, das ist unmöglich, wenn er kommt, muss er als mächtiger Herrscher und Heerführer auftreten. Oder sie hätten sagen können: Da hat sich der Engel bestimmt in der Hausnummer geirrt, wenn der Sohn Gottes geboren wird, sind sicher nicht wir die, die zum Wiegenfest eingeladen werden. Mit Hirten will sich doch niemand umgeben! – Aber all das tun und sagen sie nicht. Sie lassen sich auf die Worte ein, sie sind wenigstens bereit sie zu überprüfen: Lasst uns gehen und nachsehen! Und das klingt weder müde noch zweifelnd, sondern eher voll Überzeugung: irgendwas muss da schon dran sein. So lang unser Tag auch war, so müde wir sind, es lohnt sich hinzugehen und zu schauen! Und so machen sie sich auf den Weg. Und sind die ersten, die den Heiland finden. Und was sagen wir zu der Botschaft der Engel? Sind wir auch bereit nachzusehen? Auch wenn das Kapitel Glaube für uns schon abgeschlossen scheint? Auch wenn es viel zu viel Enttäuschungen gab und der Zweifel groß ist? Auch wenn wir denken: Gott in dieser Welt, wie sie ist: das kann nicht sein? Auch wenn wir Weihnachten nur feiern, weil es doch alle tun und Geschenke ja auch nett sind, die alte Geschichte dahinter uns aber wie ein Märchen vorkommt? Wie wäre es: einfach hingehen zur Krippe, hineingehen in diese alte Geschichte, darum beten, dass wir etwas von dem Wunder spüren und sehen und erleben – dass Gott neu zu uns spricht und wir seine Liebe spüren? Bereit sein ein Wunder zu erleben – weil wir selber so ein Wunder Gottes sind und weil jeden Tag so viel Wunderbares geschieht, wenn wir nur bereit sind loszugehen, uns darauf einzulassen, und die Augen aufzumachen? Was würde dir im Leben ohne Weihnachten fehlen? Kannst du wirklich sagen: Nichts? Oder ist da eine Sehnsucht tief in dir drinnen: es könnte doch alles wahr sein? Wieso sollte es das nicht? – Vielleicht stärkt dich ja auch das Weihnachtskonzert des Gemischten Chores Galmsbüll uner Leitung von Birgit Deussing heute Abend in der Emmelsbüller Kirche: 19.00 Uhr. Es erklingen Lieder voll Staunen und Freude über Gott, der Mensch wird. Wiegenlieder für Jesus. Dornwälder, die erblühen. Tore, die sich öffnen. – Transeamus usque Bethlehem wird auch dabei sein. Mach dich gerne auf den Weg! Wir würden uns riesig freuen!