Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder und Schwestern einträchtig beieinander wohnen! Denn dort verheißt der HERR Segen und Leben bis in Ewigkeit. Psalm 133,1.3

Was für eine Losung für den heutigen Tag! Irgendwie weckt diese Adventszeit Sehnsucht nach Eintracht. Bilder von Krieg und Gewalt, Hunger und Not, an die ich mich manchmal schon viel zu sehr zu gewöhnen drohe, wühlen wieder mehr auf. Gedanken sind im Raum: wie feiert die Nachbarin, die alleine wohnt, ihr Weihnachtsfest? Was ist mit den ukrainischen Familien, die hierher geflohen sind? Wo weiß ich jemanden, der an Weihnachten niemanden hat, der ihn beschenkt? Die Seebrise hat auch in diesem Jahr die schöne Aktion des umgekehrten Adventskalenders: jeden Tag eine Kleinigkeit in ein Paket packen, das vor Weihnachten an jemanden überbracht wird, der wahrscheinlich nicht viele Geschenke bekommen wird. Zweimal durfte ich beim Verteilen in der Weihnachtswoche helfen und war immer berührt, wie viel Freude das Paket, vor allem aber auch der Umstand bereitete: dass da jemand klingelt, kommt, etwas abgibt, etwas Zeit zum Schnacken mitbringt! Mit unseren Konfis wollen wir uns an dieser Aktion auch in diesem Jahr wieder beteiligen. Einträchtig beeinander wohnen. Warum kann das nicht gelingen, in der Welt: Russland ist doch wirklich ein Land, groß genug – wieso kann man nicht die Ukrainerinnen und Ukrainer ihren Weg gehen lassen und als Bruder- oder Schwesternvölker einträchtig zusammen leben? Warum kann nicht Taiwan seinen Weg gehen ohne Angst vor dem übermächtigen Nachbarn China haben zu müssen? Warum können wir nicht zusammenfinden mit dem Nachbarn, mit dem wir uns zerstritten haben, oder in der Familie, wo der Kampf ums Erbe Menschen auseinander gebracht hat. Die Angst zu kurz zu kommen – woher kommt sie, wo doch eigentlich alles für alle reichen würde, wenn wir nur solidarisch miteinander sind und jeder dem anderen auch sein Glück gönnt. – Jetzt wäre doch ein wunderbare Zeitpunkt damit anzufangen – mit dem Gönnen, mit dem Solidarischen, mit der Eintracht. Rolf Krenzer hat einmal gedichtet: Wann fängt Weihnachten an: „Wenn der Schwache dem Starken die Schwäche vergibt, wenn der Starke die Kräfte des Schwachen liebt, wenn der Habewas mit dem Habenichts teilt, wenn der Laute mal bei dem Stummen verweilt...“ Und weiter: „Wenn mitten im Dunkel ein winziges Licht Geborgenheit, helles Leben verspricht.“ – Ja, dann fängt Weihnachten an. Womöglich schon am 15. Dezember!

Bleibt behütet!

Kennt ihr das? Manche Tage rattern nur so durch. Und erst am Abend fällt mir ein – der Adventskalender! Ja, schnell noch ran und das Türchen aufmachen, was sonst meistens morgens geschieht. Gefüllt sind für viele die Tage im Advent. Und andere, gar nicht so wenige, liegen zur Zeit krank im Bett, Grippe und Viren greifen um sich. Und sie hoffen aber rechtzeitig vor Weihnachten wieder voll fit zu sein! – Einstimmung auf Weihnachten: für mich leistet das der Schnee zur Zeit. Das leisten Adventsfeiern, in denen wir Plätzchen essen, Lieder singen, Gemeinschaft haben. Und das leistet so manche Überraschung. Gestern klingelt es an der Haustür am frühen Nachmittag. Ich war gerade auf dem Sprung zum nächsten Termin und öffne die Tür. Ein Junge steht mit seiner Mama vor der Tür und reicht mir eine Tüte selbstgebackener Plätzchen. „Für dich!“ Ich bin ganz perplex. Hab jetzt an der Tür gar nichts zum Greifen, um dem Jungen auch etwas zu schenken, einen Schokonikolaus vielleicht oder so etwas. Aber der Junge erwartet das auch gar nicht. Sichtlich zufrieden verabschiedet er sich. Er hat mir wirklich eine riesige Freude gemacht – wenn wir beschenkt werden, einfach so, und nichts dafür geben können. Das ist doch im Grunde Weihnachten. Gott beschenkt uns. Einfach so. Und hat vielleicht die größte Freude, wenn wir das einfach nur begreifen: was das für ein Geschenk ist, dieses Kind in der Krippe. Und perplex sind. Und staunen. Bleibt behütet!

Foto: Heute von unserer Adventsfeier in Horsbüll

„Schwer liegt die Finsternis auf unseren Gassen,

ang hat das Sonnenlicht uns schon verlassen.

Kerzenglanz strömt durchs Haus,

treibt das Dunkel aus:

Santa Lucia! Santa Lucia! Santa Lucia!

 

Groß war die Nacht und stumm. Hörst du’s nun singen?

Wer rauscht ums Haus herum auf leisen Schwingen?

Schau, sie ist wunderbar, schneeweiß mit Licht im Haar:

Santa Lucia! Santa Lucia!

 

Nacht zieht den Schleier fort, wach wird die Erde,

damit das Zauberwort zuteil uns werde.

Nun steigt der Tag empor, rot aus dem Himmelstor:

Santa Lucia! Santa Lucia!!“

 

Heute ist der Tag dieser Heiligen. Der heiligen Lucia! In Schweden wird das Fest besonders groß begangen.

Vor der Durchführung der gregorianischen Kalenderreform – ein Kapitel für sich – fiel der Wintersonnenwendentag in Schweden für einige Jahrzehnte genau auf den 13. Dezember – der kürzeste Tag, die längste Nacht. Mit diesem Tag verbanden sich vielerlei Lichtriten. Und mit dem Luciatag verbanden sich so auch Feierlichkeiten zur Wintersonnenwende. – Aber Lichtbringerin ist Lucia auch schon in der frühchristlichen Tradition. Nicht nur, weil ihr Name vom lateinischen Wort für Licht – lux- abzuleiten ist. Sie soll Christin geworden sein in einer Zeit, als der christliche Glaube im römischen Reich noch verfolgt wurde. Ihr Vater starb früh, ihre Mutter sollte von ihrem Glauben lieber nichts wissen. Erst später erfuhr sie von Lucias Glauben -schwer erkrankt, ließ sich die Mutter von der Tochter ans Grab der heiligen Agatha führen und erlebte dort Heilung von ihrer Krankheit. – Lucia hatte, so erzählt die Legende, gelobt niemals zu heiraten, sondern immer ganz für Jesus zu leben. Sie wollte anderen Menschen viel Gutes tun. Dies konnte sie in Syrakus, wo sie lebte, denn viele Christen lebten dort schon im Untergrund, aus Angst unter Kaiser Diokletion verfolgt zu werden. Viele verbargen sich in den Katakomben, einer im römischen Reich üblichen unterirdischen Begräbnisanlage. Ihnen brachte sie Lebensmittel. Weil es in den Katakomben dunkel war und Lucia für den Lebensmitteltransport beide Hände frei haben wollte, soll sie einen Lichterkranz auf ihrem Kopf getragen haben, der ihr den Weg ausleuchtete. Und zugleich war sie buchstäblich Lichtbringerin, hat ein Licht gebracht in die Dunkelheit und verzweifelten Lage der Menschen damals. Als Christin starb sie später den Martyrertod – und wurde zu einer Heiligen. Und für uns heute ist sie noch immer ein leuchtendes Beispiel von Glauben, der mutig bekennt und aufrichtig, entschlossen, liebevoll handelt. Einander etwas Licht bringen in dieser dunklen Zeit. Welche schönere Aufgabe könnte es geben mitten im Advent?

Foto: Am Sonntag feierten wir einen Luciagottesdienst in Neugalmsbüll, und vier junge Damen schlüpften in die Rolle von Lucia und ihren Gefährtinnen – ihr habt das großartig gemacht und auch das Lucialied so schön gesungen! Danke auch an Birgit Deussing für die Anleitung und Mitwirkung!

Na, alles vorbereitet? Für Weihnachten wohl kaum. Aber immerhin. Die ersten Geschenke sind eingekauft oder bestellt. Was soll es zu essen geben? Keine Ahnung. Aber die Krippenspielprobe in Klanxbüll ist heute wieder. Und die Konfis üben für den lebendigen Adventskalender. In Emmelsbüll baut der Gemischte Chor für sein Weihnachtskonzert am 20.12. auf. Mein Adventskalender hat Halbzeit. Die Weihnachtsvorbereitungen laufen auf Hochtouren. – Alles vorbereitet? Damals in Bethlehem sicher nicht. Kein Zimmer war frei, die Hirten kamen sehr spontan zu der heiligen Familie, nur die Sterndeuter müssen etwas Vorlauf für das Wunder von Weihnachten gehabt haben, hatten sie doch eine weite Reise zu unternehmen zu dem Gottessohn. Weihnachten wird es auch unvorbereitet, auch zur scheinbaren Un-Zeit, wenn es so gar nicht passen will. Gott macht sich passend. Er macht sich passend in eine Krippe, er passiert einfach in unserem Kalender. Auf einmal ist es da, das Gotteskind, und die Botschaft will auch dich und mich rufen: Fürchte dich nicht. Der Heiland ist da! – Aber immerhin: Jesus hatte einen Wegbereiter. In dessen Zeichen stand der 3. Advent: Johannes der Täufer. Vor Jesus geboren (in der christlichen Tradition genau ein halbes Jahr vorher), soll er schon im Bauch seiner Mama Elisabeth vor Freude gehüpft haben, als Maria mit dem Jesuskind in ihrem Bauch die schwangere Verwandte besuchte. Und als Johannes geboren wurde, sagte sein Vater Zacharias in seinem berühmten Lobgesang voraus: „Du, Kindlein, wirst Profet des Höchsten heißen und wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest.“ (Lukas 1,76). Und wirklich wird später Johannes als erstes anfangen zu verkünden: Gottes Reich ist nahe herbeigekommen. Er wird der Täufer, und Jesus kommt zu ihm um getauft zu werden. Dies ist der Startschuss für die öffentliche Verkündigung Jesu, für seine Worte und Wunder und Taten, die den Menschen immer deutlicher vor Augen führen sollen: der Gottessohn, Heiland, Messias: ist da! - Am Ende wird Johannes Jesus auch vielleicht ein halbes Jahr oder mehr im Tod vorausgehen: hingerichtet unter König Herodes. Und wurde schon von Johannes nach seinem Tod gemunkelt: dass er doch auferstehen und wiederkommen müsse – wird es bei Jesus dann wirklich bezeugt: der Auferstandene, der sich den Jüngern zeigt und die Botschaft groß macht: der Tod ist besiegt, das Leben wiedergebracht. – Manchmal ist es ganz wichtig, fast unerlässlich: einen Wegbereiter zu haben, jemand, der alles vorbereitet, dass wir wirken können. Die Freunde, die für die Geburtstagsparty alles herrichten, dass es dann gleich losgehen kann. Der Freund mit den Beziehungen, der uns die Stelle verschafft, auf der wir unsere Erfüllung finden. Die Bekannte, die kräftig mitverkuppelt, dass zwei, die füreinander bestimmt sind, einander auch finden. Ich finde es großartig, dass Jesus auch so einen Wegbereiter für sich in Anspruch nimmt. Eben diesen Johannes den Täufer. Und kostbar, dass Jesus jeden Tag uns den Weg bereitet: dass wir gehen können, getröstet, gestärkt, voll Vertrauen: Jesus ist ja bei uns! – Bleibt behütet!

Foto: Jordan, direkt an der Grenze zwischen Israel und Jordanien – eine der Stellen, die als mögliche Taufstelle gehandelt wird, an der Jesus seine Taufe empfing.

„Nun wollen wir ein Licht anzünden, den Weg nach Bethlehem zu finden, den Weg nach Bethlehem.“ So textet Rudolf Otto Wiemer ein Weihnachtslied, das ich heute meines Wissens das erste Mal gesungen habe – Ines Karkossa-Johannsen hat es für den Klanxbüller Gottesdienst ausgesucht. Eingängig ist die Melodie, bewegend der Text: von engen Gassen ist die Rede, vielen Stufen, aber auch von dem Stern, der funkelt und den Weg weist. Und schließlich von einer niederen Tür, vor der man sich bücken muss, um zur Krippe zu gelangen. – Ich muss an meine erste Reise nach Israel denken. 10 Jahre müsste es her sein. Da stand ich vor der Geburtskirche in Bethlehem. Niedrig war die Eingangstür. Ganz bewusst so konzipiert, damit niemand auf die Idee kam als Wallfahrer und Pilger womöglich zu Pferde in die Kirche einzureiten. Aber der Kircheneingang zur Geburtskirche ist wirklich extrem niedrig, damit sich alle, die die Kirche besuchen müssen, erst einmal klein machen, bücken müssen um hindurchzupassen. Eben weil Gott sich ja auch klein macht für uns Menschen. Er wird ja Mensch wie wir und fängt klein an als Kind. Das ist das Besondere von Weihnachten, und das ist das Besondere dieses Gottes, an den wir glauben: er ist sich nicht zu schade sich klein zu machen. Er kommt nicht, damit zu ihm aufgesehen wird, sondern dass wir ihn mitten unter uns finden. Seine Wunder sind manchmal Wunder, bei denen man sich bücken muss, wie wenn wir vor einem Kind in die Hocke gehen oder nach einem Regenwurm auf dem Boden schauen und staunen. Er macht sich klein, um uns aufzurichten und zu zeigen: du bist nie zu klein für eine große Aufgabe. Mit Gottes Hilfe kannst du alles schaffen! Gott macht sich klein und kommt durch niedere Türen. Da, wo wir ihn nicht vermuten. Sitzt mit uns zu Tisch. Sitzt an unserem Bett, wenn wir nicht schlafen können. Ist sich nicht zu schade, jemandem die schmutzigen Füße zu waschen, wäre sich auch nicht zu schade Windeln zu wechseln oder bei dem Obdachlosen unter der Brücke zu schlafen. Wo wir dieser Spur folgen, können wir dem Gotteskind auf den Fersen bleiben. Wo wir uns voreinander nicht groß aufbauen, sondern auch mal klein machen können um dem anderen zur Seite zu stehen: da ist Jesus zum Greifen nah. – Das Besondere an der Geburtskirche ist: ist man erst einmal eingetreten, öffnet sich ein riesig weiter Kirchenraum. Wir können uns hinter dem Eingang wieder strecken und aufrichten. So wie dieses Kind gekommen ist um uns aufzurichten. Das ist Weihnachten! – „Und leuchten aberhundert Kerzen, der Weg, der geht durch unsre Herzen, der Weg nach Bethlehem.“ So endet der Liedtext von Rudolf Otto Wiemer. Einen gesegneten dritten Advent!

 

Foto: Der Eingang zur Geburtskirche in Bethlehem. Macht euch klein!

„Sii, hü godj et as, wan brouderne än süsterne maenouder önj iinihäid laawe“ – so heißt es im 133. Psalm, hier in der friesischen Fassung. Nachher ist Friesenandacht in der Neugalmsbüller Kirche. 17:00 Uhr. Und es gilt: Ai enarken ferstöö arks uurd, wat di oudere sää – ouers ferstöön: We hiire tuhuupe! Man muss nicht alles verstehen – aber man sollte verstehen: wir gehören zusammen. Wenn das die Welt begriffe! Wenn das Wladimir Putin begriffe, der gegen ein Bruder- und Schwesternvolk Krieg führt. Wenn wir das als Kirchen begriffen, die sich viel zu sehr abgrenzen oder mit sich selbst beschäftigt sind, statt in einer Welt, die dringend Antworten auf die Frage nach Gott erwartet, gemeinsam ein Zeugnis der Liebe abzulegen. Wenn wir das als Glaubende begriffen, die oft genug ihren eigenen Glauben absolut setzen und die, die fragen, zweifeln, anders oder an gar keine göttliche Kraft mehr glauben, links liegen lassen. Wenn wir das als Gesellschaft begriffen: die verschiedene Meinungen aushalten kann, aber niemals den Respekt vor dem, der anderen verlieren sollte und in jedem Menschen die Handschrift Gottes entdecken könnte. – „Seht, wie gut es ist, wenn Brüder und Schwestern in Frieden beieinander wohnten.“ Es gibt viel zu tun. Fangen wir gleich bei uns an. Seid behütet!

 

Foto: Das Vaterunser in Helgoländer friesisch. Zu finden in der katholischen Kirche auf Helgoland